NaturPlus-Fischingen

ein aktiver Naturschutzverein im Hinterthurgau

Neobioten

naturnahe Gärten

Sie kamen auf dem Wasserweg, per Autoreifen, Luftpost, Eisenbahn, Schiffsrumpf oder Gütertransport, manche hefteten sich auch ganz einfach an Haaren, Kleidern und Schuhen an. Die „neuen Lebewesen“ haben eines gemeinsam: Sie wurden vom Menschen bewusst oder unbewusst eingeschleppt.

Neobioten

Was vorher war

Als sich die unwirtlichen Gletscher vor etwa 15‘000 Jahren aus unserer Gegend zurückzogen, etablierten sich auf den frei werdenden Schutt- und Feuchtflächen nach Flechten, Moosen, Gräsern und Zwergsträuchern erste höhere Pflanzen wie Sanddorn, Wacholder und Weiden. Es folgten Birken und Föhren, später Eichen, Ulmen, Linden und Hasel. Einige Pflanzen hatten sogar auf eisfreien Gipfeln ausgeharrt und konnten sich nun wieder verbreiten. Ein Beispiel dafür ist die Buchsblättrige Kreuzblume, welche noch heute in Berggebieten (z.B. St. Margarethenberg oberhalb Bad Ragaz) zu finden ist. Die Einwanderung weiterer Baumarten wie Buche und Fichte ging sehr langsam vor sich und dauerte Jahrtausende. Als sich der Mensch auszubreiten begann, sesshaft wurde und auch Handel trieb, etwa 4000 v. Chr., konnten auch die Pflanzen schneller „mitwandern“.

Die Buchsblättrige Kreuzblume (Polygala chamaebuxus) ist ein Relikt aus der letzten Eiszeitund hat sich während Jahrtausenden behauptet. Solche Pflanzen verdienen besondere Achtung.

Mit den Römern

zogen später auch viele neue Pflanzen über die Alpen. So ist bekannt, dass damals die Wegwarte, die Zaunrübe oder das Schöllkraut aufkamen. In Getreidesäcken etwa versteckten sich Samen von Kornrade, Klatschmohn, Wegerich usw. und gelangten aus dem Süden, Osten und Westen zu uns. Gefundene Samenreste zeugen davon. Im Mittelalter waren es Nonnen und Mönche, welche in ihren Klostergärten fremdländische Heil-, Gewürz- und Färberpflanzen kultivierten. Von da an kennen wir die Färberkamille, den Löwenschwanz, Honigklee, Kriechenden Günsel, Bärlauch und andere.

Alle diese Pflanzen hatten viel Zeit, sich hier anzupassen und, besonders wichtig, die Insektenwelt hat sich darauf eingestimmt und bildet nun eine fein verzahnte Einheit mit ihnen. Sie gelten deshalb als „einheimisch“.

Klatschmohn (Papaver rhoeas), Echter Honigklee (Melilotus officinalis), Färber-Hundskamille (Anthemis tinctoria) oder Kriechender Günsel (Ajuga reptans) sind nur wenige von einigen hundert einheimischen Wildpflanzenarten, welche sich ausgezeichnet als Blumenschmuck und Insektenweide in Naturgärten und naturnahen Grünanlagen eignen. Darunter gibt es wunderbare Duftpflanzen wie den Echten Honigklee oder Pflanzen zum Färben von Wolle wie die Färber-Hundskamille.

Neo

Der grosse Einschnitt passierte nach dem Jahr 1500. Kolumbus hatte kurz zuvor Amerika entdeckt und kehrte nicht nur mit viel Raubgold, sondern auch mit völlig neuartigen Pflanzen (u. a. Kartoffeln und Tomaten) nach Europa zurück. In den folgenden Jahrhunderten waren die Europäer nicht mehr zu bremsen: Exotisches aus dem fernen Osten, von entlegenen Inseln und Staaten waren Trumpf und mussten in prunkvollen Parks zur Schau gestellt werden. Der Boom oder die Gier nach möglichst seltenen und ausgefallenen Gewächsen hält bis heute an. Viele davon verschwinden wieder sang- und klanglos, weil sie sich unserem Klima nicht anpassen mögen. Andere sind nur mit viel Aufwand zu halten. Einige aber fühlen sich extrem wohl ohne ihre Fressfeinde. Sie sind robust, konkurrenzstark und blühfreudig. Sie fliehen aus den Gärten und Parks an Waldränder, Bachufer und besonders gerne in Naturschutzgebiete. Diese „invasiven Neophyten“, man zählt in der Schweiz 45 davon, bereiten Sorge, denn es ist ihnen schwer beizukommen. Sie verdrängen die einheimischen Wildpflanzenvielfalt und bieten unseren Insekten, Vögeln und Schmetterlingen kaum Nahrung an.

Gefahr Mensch

Pflanzen und Tiere aus allen Erdteilen werden heute in besonderem Ausmass durch die Mobilität von uns Menschen verfrachtet. So kleben Samen und Insekteneier, wie die der gefährlichen Asiatischen Tigermücke, an
Autopneus oder Schuhsohlen; die Dreikantmuschel im Bodensee wurde durch die Verschiebung von Schiffsjachten von See zu See eingeschleppt. Der gefrässige Buchszünsler wanderte mit Buchspflanzen ein und der Asiatische Bockkäfer mit Holzpaletten aus China. Manche Leute meinen es gut (und bequem) und entlassen ihre Aquarien- oder Käfigtiere unbesehen in unsere Gewässer: Amerikanische Krebsarten bedrängen unsere Flusskrebse mit der Krebspest, die einheimische Europäische Sumpfschildkröte wird von der exotischen Rotwangen-Schmuckschildkröte heftig konkurrenziert. Der Asiatische Marienkäfer, in belgischen Treibhäusern zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt, sammelt sich auf Weintrauben an und verdirbt den Weingeschmack. Waschbär und Grauhörnchen sind aus ihrer Gefangenschaft ausgebrochen und bereichern in rascher Zunahme unsere Wälder – auf Kosten einheimischer Waldtiere. Ambrosia-Samen reisen immer noch via Vogelfutter in die Schweiz, obwohl es dafür ein offizielles Einfuhrverbot gibt.

Die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) wurde als hübsche und beliebte Gartenpflanze eingeführt. Heute besetzt sie ganze Bahnborde und weite Flächen an Waldwegen und in Naturschutzgebieten. Mit grossem Aufwand versucht man sie zurückzudrängen. Gemäss Naturheilpraktikern könnte sie allerdings als Heilpflanze genutzt werden, genau so gut wie die einheimische aber seltene Echte Goldrute (Solidago virgaurea). Dann wäre das Problem ihrer überbordenden Ausbreitung rasch gelöst.

Biologen nennen folgende Probleme auf Grund dieser „neuen Lebewesen“, der Neobioten:

•Verarmung der Pflanzen- und Tiervielfalt
•Besetzung seltener Lebensräume
•Veränderung von Ökosystemen
•Qualitätseinbussen bei Lebensmitteln
•Gesundheitsprobleme für Menschen
•Mehrkosten für Sanierungen von Gleisanlagen, Dämme und Gewässerufer,
•Mehraufwand für Pflege von Wegrändern und Naturschutzgebieten

Bundesgesetz

Der Bund hat deshalb in seiner revidierten Freisetzungsverordnung vom Jahr 2008 eine „Sorgfaltspflicht“ formuliert: Menschen, Tiere und Umwelt dürfen durch eingeführte Organismen nicht gefährdet werden und sie dürfen die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung nicht beeinträchtigen.

Fehlhandlungen sind strafbar.

Wir alle sind aufgerufen, sorgfältiger mit Flora und Fauna umzugehen. Schliesslich wird von „info flora“, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora (www.infoflora.ch), ein Drittel unserer ca. 3’000 einheimischen Pflanzen als gefährdet eingestuft. 40 davon gelten als besonders gefährdet und vom Aussterben bedroht.

  • Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)

    Es heisst, dass immer diejenigen Pflanzen in Massen auftreten, die wir dringend brauchen. Bachblüten-Kenner wenden deshalb von Impatiens für Menschen an, welche ungeduldig sind, denen alles zu langsam geht und die nie warten können – einer typischen Erscheinung unserer Zeit.

  • Ambrosia (Traubenkraut, Ambrosia artemisiifolia)

    Pollen der aus Nordamerika stammenden Ambrosia gelten als stark allergen und können Atembeschwerden verursachen. Gemeindegärtner entfernen sie deshalb wo immer möglich. Trotzdem werden ihre Samen mit Vogelfutter, z.B. Sonnenblumenkernen aus Ungarn, stets wieder eingeschleppt. Funde sollten bei der Gemeinde gemeldet werden.

  • Buchsbaumzünsler

    Hübsch anzusehen, aber tödlich für die Buchsbäume: Der Falter des Buchsbaumzünslers, dessen Raupe und Eier auf importierten Buchsbäumen einreisten. Die feinblättrigen Buchsbäume gelten als einheimisch, die grobblättrigen, schnell wachsenden als fremdländisch.

Tipp: Vorschläge für Ersatzpflanzungen:

Problempflanze ersetzen durch
Seidiger Hornstrauch Roter Hartriegel, Kornelkirsche, Geissblatt
Kirschlorbeer Gemeiner Liguster, Stechpalme, Eibe
Essigbaum Vogelbeere, Wolliger oder Gewöhnl. Schneeball
Japanischer Staudenknöterich Waldgeissbart, Mädesüss
Riesenbärenklau Wilde Engelwurz, Grosse Bibernelle
Drüsiges Springkraut Blutweiderich, Gewöhnlicher Wasserdost
Sommerflieder Gemeiner Flieder, Pfaffenhütchen
Kanadische Goldrute Echtes Johanniskraut, Gewöhnlicher Gilbweiderich

1) Gewöhnlicher Wasserdost (Eupatorium cannabinum), 2) Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris), 3) Blutweiderich (Lythrum salicaria), 4) Weisser Honigklee (Melilotus albus) und 5) Waldgeissbart (links, Aruncus dioicus)
sind nur einige von vielen einheimischen Wildpflanzen, welche die nicht-einheimischen Problempflanzen mit Gewinn ersetzen können.

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